Mongolei Abenteuer

MONGOLEIREISE

Mongoleireise 26.06.-17.07.

Wir haben in einer Jurte geschlafen. Unter meinem Bett wuchs grünes Gras und vor der niedrigen blauen Tür grunzten die Yaks. Jetzt einige Wochen später, denke ich, es ist so als wäre ein Traum Wirklichkeit geworden. Wir sind wirklich über die asiatische Steppe geritten, wie die Heerscharen des Dschingis Khan. Wir haben gesalzenen Milchtee getrunken, steinharten Käse gekaut, und Suppe von getrocknetem Fleisch gelöffelt. Über uns kreisten die Adler und abends führten Kraniche ihre Jungen auf die Steppe, sicher haben sie von den Milliarden Heuschrecken genascht, die dort leben. Wir können jetzt Feuer machen und unseren Durst aus Flüssen stillen. Wir haben versucht Ziegen zu melken und vielleicht hätte auch ein Fisch angebissen, wenn wir nur etwas geduldiger gewesen wären. Es gibt viele gute Fische in den eiskalten Flüssen und es kostet Mut und Überwindung, sich dort zu waschen.

Erka ist eine junge Mongolin, die in Frankfurt studiert und mit einem Deutschen verheiratet ist. Nachdem wir sie im Internet kennengelernt hatten, wußten wir, daß wir die geplante Reise in ihr Heimatland gemeinsam mit ihrer Familie verbringen. So waren wir ganz nah mit den Menschen und für kurze Zeit beinahe ein Teil der Familie. Schon in Ulan Bator, in der Wohnung der Schwester Tsetsegmaa und ihrer Familie wurden wir mit Herzlichkeit empfangen. Die 13 jährige Tochter Suvdaa bereitete uns ein ausführliches Frühstück, wenn die Mutter in einer Apotheke arbeitete. Auch begleitete sie uns durch die lebhafte Stadt, abseits der Hauptstraßen, und war uns mit ihren guten Englischkenntnissen sehr behilflich. So haben wir zum Beispiel das Kloster Gandan und den weiten Klosterbezirk sehr ausführlich besichtigt. Mich hat das sehr an Tibet erinnert, besonders auch die Gebetszeremonien der Mönche.

Nach drei Tagen sind wir mit dem Flugzeug in Richtung Norden gereist und wurden in Moron von einer weiteren Schwester Chandmaa abgeholt. In Moron durften wir eine Nacht in dem Holzhaus von Bruder Zolboo übernachten und dann am nächsten Morgen die 60 km lange Autofahrt in Richtung Jurte der Mutter antreten. Die Fahrt führte über eine Extrempiste, mit Flußdurchquerung, teilweise mußten wir aussteigen und anschieben. Nach vier Stunden kamen wir schließlich bei Mutter Dolgusoren an. Sehr herzlich wurden wir dort willkommen geheißen und mit Käse, Sahne, Gebäck und Milchtee bewirtet. Wir durften die Gästejurte beziehen, die wir ganz für uns allein hatten. Es gab sogar Betten dort und ausreichend Platz für uns drei Frauen: Nele, meine Tochter, meine Freundin Regina und mich. Langsam haben wir uns an die weite karge Landschaft gewöhnt, die von einem breiten grünen Flußtal durchzogen wurde. Oft saßen wir vor der Jurte und haben nur still geschaut. Über uns breitete sich ein riesiger Himmel, wunderbar blau mit schneeweißen Wolken, aus. Manchmal auch mit dunklen Gewitterwolken, die wir von weitem anziehen sahen. Abends gab es häufig dramatische Sonnenuntergänge und vorher ein golden gleißendes Licht, das immer wieder zum Fotografieren verführte.

Der Alltag der Menschen wird von den Tieren bestimmt. Yaks, Kühe, Ziegen und Schafe werden meistens zweimal am Tag gemolken. Unsere Familie hatte im laufenden Jahr sechs Fohlen verloren, die sämtlich von Wölfen geholt wurden. Es gab kein einziges Fohlen in diesem Jahr und damit auch keine kostbare Stutenmilch. Die Pferde leben frei in der Steppe und werden eingefangen, wenn man sie braucht, zum Reiten oder als Lasttier. Besonders begeistert waren wir, wenn abends die Yakkühe gemolken wurden. Die Kälbchen sind sehr niedlich und die Mütter sind rührend besorgt um sie. Nach dem Melken ziehen die Tiere wieder in die Steppe. Auch die Ziegen und Schafe verschwinden in den Bergen, dort ist das Futter besonders saftig und es gibt noch mehr duftende Kräuter. Wenn es dunkel wird kommen sie zurück und übernachten in der Nähe der Menschen und der wachsamen Hunde. Die gesamte Milch wird von den Frauen verarbeitet und ist Grundlage der Ernährung. Sie wird in Form von Milchtee getrunken, stets gekocht. Es wird köstlicher Joghurt hergestellt, Quark, der getrocknet wird und Käse der steinhart im Winter gegessen wird. Die verschiedenen Käsesorten, z.B. Arul, sind schwer zu unterscheiden, alle sind sehr hart und schmecken ein bißchen nach nichts. Aus der Stutenmilch wird Airak hergestellt. Das ist ein leicht gegorenes Getränk und schmeckt erfrischend wie Buttermilch. Manche Menschen bekommen nach dem Genuß Durchfall, stimmt doch Nele, oder? Wir haben auch eine Art Milchschnaps getrunken, der Archi heißt und mild schmeckt. Wir haben alles probiert und gut vertragen. Die Mutter hat sich dafür bedankt, weil andere Gäste in der Beziehung wohl nicht so pflegeleicht waren, und sie sich ein wenig Sorgen gemacht hatten.

Einmal hat Bruder Zogtoo eine Ziege geschlachtet. Wir haben mehrfach davon gegessen, ich fand das Fleisch etwas zäh. Das Festessen am letzten Tag war sehr gut. Das Ziegenfleisch wurde mit heißen Steinen in einer Milchkanne gegart. Das ist eine mongolische Spezialität und wird von den Männern zubereitet. Nach dem Festessen gab es eine Runde Wodka und dann haben alle reihum gesungen. Besonders die Kinder haben mit ernsten Gesichtern allein viele Strophen wunderschön gesungen. Wie das Land so die Musik.

Irgendwann sind wir dann zu unserer 5-tägigen Pferdetour aufgebrochen. Proviant hierfür hatten wir vorher im Shop des Bruders Zogtoo in Moron bei Vater Tsend eingekauft. Es gab täglich Eintopf. Hauptsächlich aus Kartoffeln, Möhren, Zwiebeln, Nudeln und Reis. Morgens hatten wir kaum mehr als ein paar Kekse. Wir haben nie gehungert, am Ende aber abgenommen. Ein wirkliches Problem war für uns die Trinkerei unterwegs. Das Wasser aus den Flüssen mußte abgekocht werden. Da wir nur jeder eine Trinkflasche zur Verfügung hatten, mußte ein Liter Tee bis abends reichen. Mit den Pferden hatten wir keine Probleme. Sie waren sehr friedlich und reagierten auf jeden kleinen Zügelzug und auf das landesübliche "Tschuu". Es ging durch wunderbare Landschaften. Über Berg und Tal, durch Schluchten und über Pässe. Zauberhaft waren die bunten Bergwiesen und die Moore mit ungezählten blühenden Pflanzenarten. Edelweiß wächst dort wie bei uns Gänseblümchen. Besonders schön waren auch die massenhaften Samenstände der Küchenschelle im Gegenlicht unter einem lichten Lärchenwald. Nachts haben wir in unseren Zelten geschlafen unter einem unvorstellbaren Sternenhimmel, der sich wie ein schützender Schleier über uns ausbreitete. Einmal sind wir unterwegs bei einer Familie zu Gast gewesen und haben Airak getrunken. Zum Schluß wollten alle in ihrer besten Kleidung fotografiert werden. Das war ein Hallo! So gingen die Tage schnell vorbei. Die Hitze machte uns und auch den Pferden zu schaffen, dazu kamen Milliarden von Mücken und Fliegen. Der fünfstündige Ritt am letzten Tag, ohne Schatten war eine Prüfung für Mensch und Tier. Auch unsere Führer Zogtoo und Narra waren froh als die heimischen Jurten in Sicht kamen und die Pferde liefen einen Schritt schneller.

Nun muß ich noch ein Wort zu den stets freundlichen und immer ruhigen Menschen sagen. Der Umgang der Familie miteinander war immer harmonisch. Es fiel nie ein lautes Wort. Erka hat sieben Geschwister. Da war noch ein Bruder und eine junge Schwester mit einer kleiner Tochter und dem belgischen Vater, der im Winter in Belgien lebt. Alle kommen in den Sommerferien zur Mutter in die Jurte, helfen wo nötig, und man merkt wie wichtig dieses einfache Leben für alle ist. Die acht Enkelkinder sind in den Ferien dort, immer einbezogen und helfend. Schon die kleinsten Kinder können melken, und sogar die zweijährige Amandine aus Belgien holt Holz für das Feuer in der Jurte herbei. Ich habe nie gehört, daß ein Kind gemahnt oder geschimpft wurde. Sie machen das was die Erwachsenen vormachen. Zeit zum Spielen, Baden und Fischen bleibt immer.

In den letzten Tagen haben wir das Nadaam-Fest erlebt. Das ist das dreitägige Nationalfest. Am ersten Tag gibt es Reiterwettkämpfe, die von 8-10 jährigen Kindern bestritten werden. Hierzu sind wir in das 15km entfernte Dorf Tunell gefahren. Wir haben Verwandte aus der Nachbarschaft mitgenommen und waren ungefähr 15 Personen in einem kleinen busartigen, russischem Fahrzeug. Die Piste war wieder abenteuerlich und wir haben uns Sorgen um eine hochschwangere Frau gemacht. Aber Zogtoo, der Fahrer bedeutete uns, daß mongolische Frauen das aushalten. Die Reiterei war wild und verwegen. Die Zuschauer, viele auch beritten, waren immer in Bewegung, da das Ziel bei jedem Wettkampf verlegt wird. Besonders die älteren Menschen waren in den traditionellen Del gekleidet. Das ist ein langer, wunderschöner, sehr schlichter Mantel, der im Sommer häufig aus Seide ist und von Hand genäht wird. Die jüngeren Leute tragen Jeanskleidung (leider). Auffallend dabei sind die Stöckelschuhe der Frauen und Mädchen, wir konnten extreme Formen, sowie ungewöhnlich hohe Absätze sehen. Damit stolzierten die Damen grazil über die Steppe, durch die Kuhscheiße, saßen hoch zu Roß und manchmal auch auf dem Motorrad. Diese Atmosphäre war es, die uns begeistert hat. So war es auch am nächsten Tag bei den Ringerwettkämpfen, die im K.O. System abliefen und viele Stunden gedauert haben. Viele seltsame Zeremonien haben wir erlebt und nicht verstanden. Zusammen mit einem Schweizer Paar waren wir die einzigen Touristen und entsprechend wurden wir auch beäugt. Als die Menschen vertrauter wurden, wollten viele von uns fotografiert werden. In dem kleinen, weltentlegenem Dorf Tunell fanden die Bogenschießwettkämpfe nicht mehr statt, das wäre am dritten Tag gewesen.

Die letzten Tage haben wir in aller Ruhe in und bei der Familie verbracht. Kleine Wanderungen in die Umgebung ließen uns die Landschaft immer wieder aufs Neue bewundern und staunend genießen. Die Mutter kochte uns unsere Lieblingsspeise, "Dampfnudeln". Wir wurden verwöhnt und liebevoll umsorgt. Am Ende haben wir ein wenig traurig und voller Dankbarkeit Abschied genommen, uns aber auch ein wenig auf unser fest gebautes Heim gefreut.

Sigrid Matthies